Judith Taschlers neuer Roman spielt im beschaulichen Örtchen Kirchberg in Tirol und erzählt die Lebensgeschichte zweier sehr unterschiedlicher Menschen: Da gibt es einmal den 23-jährigen Jan, der seit einigen Jahren als Skilehrer in Kirchberg arbeitet und mit 18 seine Adoptivmutter bei meinem Autounfall verloren hat. Er ist ein etwas eigensinniger junger Mann, der dem Stadtleben in Wien entflohen ist und sein Glück in den Bergen bei der Familie seines Onkels gefunden hat. Dann gibt es noch Magdalena: eine robuste und patente Frau. Sie hat sich gerade frisch von ihrer Patchwork-Familie in Prag getrennt und kehrt zurück in ihre Heimat Kirchberg, um dort den Hof ihrer Familie zu renovieren, der bereits seit vielen Jahren leer steht und verwahrlost.
Magdalena und Jan treffen sich zum ersten Mal am Unfallort von Jans Mutter. Seine Mutter ist damals mit ihrem Wagen von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt und wie das Schicksal so will steht eben dieser Baum auf dem Grundstück von Magdalenas Familie. Die beiden verbindet aber weitaus mehr: Aus Magdalenas Vergangenheit erfährt man, dass sie ihre Eltern ebenfalls bei einem Autounfall verloren hat. Nichtsdestotrotz erlebt sie eine glückliche Kindheit auf dem Hof der liebevollen Großmutter, bis auch diese eines Tages plötzlich verstirbt. Magdalena kommt daraufhin ins Heim und seitdem gerät ihre Leben aus den Fugen.
Dieser Roman erzählt ein großes Familiengeheimnis, in dem der berüchtigte Baum, ein Davidsahorn, eine ganz zentrale Rolle spielt. Judith Taschler erzählt die Geschichte dreier Generationen, denn neben den Stimmen von Jan und Magdalena kommt ebenfalls Jans Onkel Viktor zu Wort, der damals der beste Freund von Magdalenas Vater war. Niemand versteht es so ein feines und gleichzeitig kraftvolles Netz an verbundenen Schicksalen zu spinnen wie Judith Taschler. Sie beschreibt das Schicksal zweier Familien, das mit der Kindheit von Viktor und Magdalenas Vater beginnt, dann die Lebensgeschichte von Magdalena erzählt und schließlich mit dem in der Blüte des Lebens stehenden Jan einen fabelhaft erzählten Bogen spannt.
Es geht in diesem Buch um Themen wie Schuld, Schicksal, Liebe und Identitätssuche. Welche Begebenheiten führen dazu, dass ein Mensch so ist wie er eben ist? Und zugleich: Wie würde das Leben aussehen, wenn man in der Vergangenheit andere Entscheidungen getroffen hätte? Der Roman liest sich spannend wie ein Krimi, weil man unbedingt wissen will, wie die Geschichten von Jan und Magdalena zusammenhängen. Wer gerne literarische, spannende Familiengeschichten mag, die sich um ein großes Geheimnis ranken, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.
Gebunden:
Judith W. Taschler „David“
Droemer, München 2017